Wer kennt das nicht: man googelt durch das Net und bleibt bei manch interessanter Site hängen und findet so wieder Inspiration. So soll es sein. Auch dieses Gedicht, dessen Verfasser es ursprünglich in tiefdeutscher Mundart schrieb, wurde bei einer dieser Reisen gefunden und brachte mich ein bißchen zum Schmunzeln.
Für alle Radfreunde hier noch ein guter Link: www.fahrradexperten.com
Fahrradbetrachtungen eines Pensionisten
von Traugott Wöhrlin (2004)
Früher, als wir noch jünger waren
sind wir viel mit dem Rad'l g'fahren.
Etwas anderes hat's damals nicht gegeben.
Wenn hast wollen wo schneller sein
hast halt schnell den Drahtesel genommen
und bist überall hingekommen.
Nicht nur grad schnell um's Eck' wie zum Fleischer und zum Bäck'.
Auch zur Arbeit und weiter fort
selbst an ganz entfernte Ort'
über Berg und über Tal.
Manchmal war's a weng' a Qual
wenn's den Berg raufgangen ist und du in's Schwitzen kommen bist
oder gar hast schieben müssen,
hast manche Sünde müssen büssen.
Denn eine Gangschaltung am Rad
hat sich damals noch nicht g'rad
jeder können leisten.
Außerdem waren die meisten
Räder auch noch schwer wie Blei.
Trotzdem hat man gemeint das sei ganz normal und hat sich geschunden.
Selbst ein Patschen hat man gemeint,
läßt sich manchmal nicht vermeiden.
Man hat ihn geflickt und war bescheiden.
Jedenfalls war das Fahrrad dort alles andere als ein Sport.
Man hat es gebraucht zum Leben.
Luxus hat's damals noch nicht gegeben.
Aber wer kein Rad hat g'habt, der war beschissen dran, bei Gott.
Denn man hat's jeden Tag gebraucht:
wenn man die Oma besucht
zum in die Schule und ins Bad,
zum Transport von Obst und Salat
und Transport für die Bohnenstangen - ohne Rad ist einfach nix gegangen.
Jedenfalls, so war das früher.
Aber jetzt sind wir ja hier,
cirka ein halbes Jahrhundert älter und auch ein wenig besser bestellter,
sodaß sich die allermeisten können ein Auto leisten.
Trotzdem fahren die Leut' noch Rad
und man meint manchmal grad',
daß dies nun Mode sei, soviel Zirkus ist dabei.
Wenn man nämlich da mal guckt, was da so auf diesen Rädern huckt,
da könntest vor Lachen grad so schreien:
Bunt und gescheckt wie die Papageien!
Blau und gelb und grün und rot ...
verflucht nochmal, da lachst dich tot.
Auf dem Kopf einen Helm aus Plastik
treten sie da ganz schnell und hastig,
so, als wären sie in Trance oder bei der Tour de France.
Auch die Fahrräder von heute
hab'n nicht viel Ähnlichkeit
mit unseren Böcken von früher.
Nur so alte Säcke wie wir
haben im Kopf noch die Erfindung für Muskelkraft und Knochenzündung
und diesen alten Gestellen halt.
Für die neuen Räder brauchst kaum Gewalt,
denn Gewicht haben die nur noch wen'g
und mindestens fünfundzwanzig Gänge.
Auch gefedert sind die zehnmal besser.
Ja, es gibt sogar Fahrradrößer,
da kannst daraufliegen wie im Bett
Ned gelogen - jede Wett!
Eine ganz verrückte Wissenschaft,
mit der man spart eine Menge Kraft,
das ist die richtige Sorte von Reifen.
Das muß man erst einmal begreifen.
Und mit der richtigen Form vom Lenker,
da fährt man wie ein Berserker
nicht nur auf Weg und Straße halt;
da fähst du auch im Wald
den allerschmalsten und steilsten Pfad.
Bei einigen da meinst' schon grad
es kann gar nicht steil genug sein
und rennen sich dabei fast den Schädel ein.
Sie fahren überall querbeet
und glauben, wer geht sei bled.
Sie schickanieren ohne Grund
selbst alte Leute mit Hund.
Sie schleichen sich von hinten an
und ham am Rad keine Klingel dran.
Doch wennst verschrocken reagierst,
mein lieber Mann, dann riskierst
dass sich der auch noch das Maul aushängt
und dir sagt, was er von dir denkt,
weil du nicht auch so bist wie er.
Artisten sind auch dabei.
Die machen Sprünge über die Schanze und tun mit ihren Rädern tanzen
und fahren Slalom wie mit Schi. Wenn's einen zerlegt, glaubst grad, der is hi'.
Das sei, so heißt's, der neue Sport.
Es gibt glaub ich auch ein extra Wort
für den ganzen Bledsinn auf'm Rad:
Es klingt englisch, ja, wie heißt's denn grad?
Es ist irgendetwas mit dem "Baik" ...
Mir reicht's, ich hör auf und streik.
Des Ami-Zeugs, des brauch ich net.
Ich mach nicht bei jedem Bledsinn mit.
Die neue Hasterei, die schenk ich mir
und fahr ganz gemütlich wieder Rad - so wie früher - denn des taugt mir.